Christoph Fischer: Steueroase
2. September – 28. Oktober 2012
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STEUEROASE
In einem Vortrag der Standortförderung Obwalden vor Finanzleuten hiess es: »Wenn ein Kunde zum ersten Mal nach Obwalden kommt, dann flippt er doch einfach aus, weil es hier so schön ist. Wenn dann aber die Steuerrechnung kommt, ist seine Freude noch grösser.«
Ich nahm diese Worte zum Anlass, diese Freude in Bilder umzusetzen und mit der »Steueroase« einen Raum für diese Botschaft zu schaffen. Grossformatige Zeichnungen zeigen hoch erfreute Menschen in bestimmten Situationen, welche in der Standortwerbung als Vorteile hervorgehoben werden: - Spatenstich für neue Häuser und Firmen im Grünen - Familienglück im Garten dank Eigenheim - die Begeisterung darüber, dass die grossen Zentren rasch mit dem Auto erreicht werden können.
Die Bilder stellen Menschen dar, deren Gesichter zu einem Dauerlachen geformt sind, welchem wir in der Werbung öfter begegnen als im echten Leben. Alle Fragmente für die Vorlagen der Zeichnungen sind unabgeändert entweder aus Stock-Fotogalerien, aus der Werbung oder aus einer Spielgerät-Verpackung entnommen. Sie propagieren uns eine perfekte, von allen Makeln befreite Welt. Mich beschäftigt die Frage, inwiefern wir von solchen inszenierten Bildern beeinflusst werden und wie weit unser Leben bereits durch die "Regie" solcher Vorbilder "inszeniert" wird. Mit dem Mittel der schwarzweissen, zeichnerischen Umsetzung in grossen Formaten wird diese allgegenwärtige, farbenfrohe Fassadenwelt gebrochen.
Inhaltlich befragt meine Arbeit die Auswirkung des Steuerwettbewerbs und welche Veränderung dieser letzlich mit sich bringt, ausser den erhofften Mehreinnahmen. - Was bedeutet »Wohnen im Grünen« für die Landschaft (insbesondere dann, wenn dies alle Bewohner anstreben)? - Wie wirkt sich die Zunahme des Verkehrs in Obwalden und in der »Schweizer Kulturhauptsadt Luzern«* aus, wenn diese »nur 10 Autominuten von Obwalden«* entfernt ist? (*aus der Standortwerbung des Kanton Obwalden) - Was bedeutet die aktuelle Steuerpolitik längerfristig für die soziale Durchmischung? -Was bedeutet dies für die umliegenden Kantone, für die umliegenden Länder? - Wie weit lassen wir uns von entsprechenden finanziellen Anreizen leiten - zum Beispiel in der Wahl des Wohnortes?
Ich möchte diese Fragen aber nicht nur auf das lokale Beispiel beschränken, sondern beabsichtige eine weitergehende Reflektion über die Beziehung von Geld und Glück.
Das klassische Schaufenster möchte die Blicke der Passanten auf sich lenken, um diese zum Geldausgeben ins Geschäft zu locken. Dieses Schaufenster hingegen soll einen Moment der Irritation hervorrufen, was im Idealfall einen weiterführenden Denkprozess und Diskussionen in Gang zu setzen vermag.
Das Schaufenster soll Fragen aufwerfen, die nicht mit dem Kauf eines Produkts oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung geklärt werden können.
Christoph Fischer, 2012