Rochus Lussi: Maria Magdalena I
6. Juni – 1. August 2010
––––––––––––––––––––
Meine letzte Einzelausstellung trug den Titel „Mit Haut und Haar“. Es ging um Oberflächenstruktur, Beschichtung und Schutz (mit Schutz und Schirm?). Darin war eine weibliche Figur in Reliefform enthalten, die „Maria Magdalena“. Sie soll eine enge Weggefährtin Jesu gewesen sein, obwohl überliefert wird, dass diese Figur erst im Mittelalter hinzugefügt wurde. Eine Heiligen-Figur, nackt, mit langen, blonden Kopfhaar-Strähnen, die die Scham bedecken und ihr bis über das Gesäss reichen. Zudem ist beinahe ihr ganzer Körper mit einem natürlich gewachsenen Fell bedeckt. So formte sie auf jeden Fall der Bildschnitzer Tilman Röhrig Riemenschneider im 15. Jahrhundert.
Die Figur ist zwiespältig, und das interessiert mich an ihr. „Maria Magdalena“ ist nackt, eigentlich. Anstelle des Schutzes eines Kleides „trägt“ sie ein Fell, überall, bis auf wenige Körperstellen. Das bringt etwas Animalisches mit sich. Durch diese „andere“ Darstellungsform werden Phantasien geweckt, stärker, als wenn sie bloss nackt wäre. Einerseits schreckt das all zu Haarige auf dem Frauenkörper ab, kann Angst auslösen vor dem Wilden (Tier), Über-Mächtigen, auf der anderen Seite birgt dieses Animalische etwas sinnliches, ja gar etwas Perverses in sich.
Nach der Überlieferung aus dem Mittelalter forme ich einen Frauenkörper in Holz. Diesen 40 cm hohen Prototypen lasse ich mittels einer Fräsmaschine 40 mal vervielfältigen. Weiter verändere ich jeden dieser Rohlinge, in dem ich verschiedene Körperteile, manchmal die ganze Körperhaltung auf dem Sockel in eine neue Lage bringe. Ich forme sie zu Individuen, damit wird jede kopierte Figur wieder zum Origninal. Nachdem die Figuren ein geschnitztes Fell erhalten haben, fasse ich sie in Farbe. Es entsteht eine Frauen-Gruppe, daraus ich eine bestimmte Anzahl auf den Tablaren im rechten Schaufenster aussetze.
Das linke Schaufenster bietet Einsicht in einen Wohnraum. Dieser Parterre-Raum strahlt mit seinem Holzboden und Kachelofen wohlige Wärme aus. Einzig die uneingeschränkte Sicht in diese Intimsphäre lässt aufhorchen, irritiert und hemmt. Denn in diesem Raum steht die lebensgrosse „Maria Magdalena“ aus Holz in Farbe gefasst. Sie ist geschützt mit Haut und Haar, und doch so ausgesetzt selbst in diesem privaten Raum mitten im Bruderklausendorf. Wie in Walfahrtsorten üblich stelle ich die Maria Magdalena als Statue oder kleine Heiligenfigur für Sie zur Schau oder etwas milder ausgedrückt, zur Betrachtung.
Die Installation im schau! fenster ist als Station einer zweiteiligen Ausstellung konzipiert. „Maria Magdalena II“ wird im November in der Ermitage Beckenried ihren Lauf nehmen.