Katharina Anna Wieser: Im Visier
4. September – 30. Oktober 2011
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Im Visier
„Augen, meine lieben Fensterlein,
gebt mir schon so lange holden Schein,
Lasset freundlich Bild um Bild herein:
Einmal werdet ihr verdunkelt sein!“
Aus Gottfried Kellers Abendlied, 1879
„Schau, Fenster!“
Und das Fenster schaute.
Die Fenster
Beim Ausstellungsraum an der Bahnhofstrasse 6 in Sachseln mit dem bezeichnenden Namen Schau! Fenster, nimmt das Fenster nicht nur als Wort sondern auch als Gegenstand eine zentrale Funktion ein. Schon das Wortspiel Schau!Fenster, löst Bilder eines märchenhaften Hauses aus, das zu einer lebendigen und autonomen Figur wird.
Im August wurden alle Fenster des Hauses ersetzt was mich animiert hat damit eine neue Arbeit zu schaffen. Es freut mich zudem sehr, dass an der Eröffnung der Ausstellung, das Auswechseln einer Fensterscheibe von einem Profi vorgeführt wird, was die Ausstellung wunderbar einrahmen dürfte.
Von Aussen nach Innen
Was passiert, wenn nicht ich durchs Fenster hineinblicke sondern das Fenster mich plötzlich anglotzt- das Schau!fenster zum schauenden Fenster wird? Es visiert mich an, ich bin im Visier.
Durch die erbaute Intervention mit einfachen Dreischichtplatten aus Fichtenholz verwandelt sich das Haus an der Bahnhofstrasse zu einem abstrakten Gesicht.
Es ist nicht mehr nur ein Haus, sondern ein lebendig anmutendes Wesen.
Wie zwei Stielaugen ragen die Fenster aufdringlich gegen die Strasse hinaus und verleihen dem Haus eine fordernde Visage. Ich bin nicht mehr nur subjektiver Betrachter, sondern Objekt der Betrachtung, einerseits durch das Fenster, nun Auge, selbst und andererseits durch die Betrachter die mich von Innen beobachten.
Das neue Fenster erfüllt immer noch die Funktion einer eingeschränkten Tageslichtquelle, erlaubt mir aber kaum mehr einen Blick ins Innere.
Von Innen nach Aussen
Die Expansion des Innenraumes geschieht durch das Nachaussenstülpen des Raumes durch die Fensteröffnung. Das Herausnehmen des alten Fensters erlaubt es mir die Tiefe des Fensterrahmens zu verändern. Das Fenster lehnt sich aus dem Fenster, fährt aus wie ein Teleskop um fokussierter und konzentrierter schauen zu können. Der Raum wird durch den neuen Fensterrahmen in seiner Ursprungsform verändert- er bricht aus und wird vergrössert. Würde ich mich in den neuen Fensterrahmen begeben, befände ich mich drinnen oder draussen?
Wenn ich aus dem Fenster schaue, eröffnet sich mir beim Hinaussehen ein neues Sichtspektrum. Mein Blickfeld wird gebündelt und durchs Fadenkreuz zielgerichteter.
Die hineinspähenden Betrachter stehen im Visier jedoch weiter weg als bisher. Die Distanz vom Fenster zum Innenrau bietet mehr Intimität.
Die neue Entfernung ins Freie könnte aber auch als einengend empfunden werden. Die Funktion der Fenster als Schutz oder des Einsperrens, von Innen oder Aussen werden zur Diskussion gestellt.
Katharina Anna Wieser, im August 2011